Schreibstube

Muss ich mir Sogen machen?

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Das ist die Geschichte, wie ich mir abgewöhnt habe, unnötig über Probleme nachzudenken.


Das Leben findet in den Momenten statt,
in denen du dich wegen der Vergangenheit grämst
oder dich um die Zukunft sorgst.
- P’taah -

Irgendwann, vor vielen Jahren, als ich über die obigen Worte von P’taah nachdachte, fiel mir auf, dass ich tatsächlich oft in Gedanken irgendwo und irgendwann anders als im Hier und Jetzt weilte. Der Schmetterling flog unbeachtet an mir vorbei, weil ich mir über irgend etwas Sorgen machte. Das Lachen stand mir fern, weil ich gerade über einem Problem brütete. Viel zu oft handelte es sich dabei um Probleme, die ich überhaupt gar nie würde lösen können. Wie zum Beispiel die Welt retten. Oder ich dachte über eine ungelöste Situation mit jemandem nach und was ich ihm oder ihr sagen würde, was sie dann sagen würde und was ich daraufhin antworten könnte, wenn ich denn nächstens die Gelegenheit dazu bekäme. Bei alledem handelte es sich meistens um Konstrukte in meinem Kopf, die wenig bis gar nichts mit meiner gegenwärtigen Realität zu tun hatten. Und ist man einmal dabei, nach Problemen Ausschau zu halten, braucht man sich um Nachschub nicht zu sorgen. Und so hangelte ich mich von einem Problem zum nächsten.

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Eines Tages stellte ich mir aus heiterem Himmel die Frage: „Habe ich gerade jetzt ein Problem? Und ich musste sie ganz klar mit einem Nein beantworten. Ich fand die Frage wegen ihrer Einfachheit und der gleichzeitig sofortigen Wirkung so genial, dass ich sie mir auf ganz viele Post-it Zettel schrieb. Die klebte ich dann an allen möglichen Stellen in der Wohnung an. Eine Erinnerung auf Schritt und Tritt, von einem Jetzt zum nächsten, konnte ich diese Frage lesen. Und beinahe jedes Mal musste ich sie mit Nein beantworten. Auch heute muss ich mir meistens eingestehen, dass es gerade kein Problem gibt, über das ich in meinem jeweiligen Jetzt sinnvollerweise nachdenken könnte.

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Meine Schwester ersann eine andere Methode, sich diese ungesunde Gewohnheit abzugewöhnen, nämlich sich über alles und jedes Gedanken und Sorgen zu machen. Sie kam auf die Idee, sich täglich während einer bestimmten Stunde genau zu diesem Zweck bewusst hinzusetzen. Eine Pflichtstunde Grübeln und sich sorgen also. Die übrige Zeit am Tag verschob sie solche Gedanken, wann immer sie sich dabei ertappte, auf die dafür vorgesehene Stunde. Sie hat mir gestanden, dass sie dann, als Grübeln zu einer Pflicht wurde, oft gar keine Lust mehr dazu gehabt habe. Wenn dann die bewusste Stunde anstand, dachte sie schon bald: „Oh nein, jetzt muss ich mir schon wieder Sorgen machen!“