Schreibstube

Schreie nach Anerkennung

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Dass ich während den letzten zwei Jahren keinen Blog Eintrag geschrieben habe, ist zum einen deshalb, weil ich selber grossen, persönlichen Herausforderungen gegenüber stand, die mit Corona wenig zu tun hatten und zum anderen, weil ich zum Thema Corona keine Position einnehmen konnte. Ich versuchte vielmehr all die unterschiedlichen Positionen zu verstehen. Dazu möchte ich einige Gedanken mit euch teilen.

Niemand blieb von Corona verschont. Weltweit! Jeder wurde auf die eine oder andere Weise eingeschränkt, gegängelt, geplagt, gebeutelt und geprägt. Was uns hätte vereinen können, hat uns getrennt und das auf mehreren Ebenen. Mir fiel dabei vor allem auf, wie wenig Verständnis die eine Gruppe den jeweils Andersdenkenden gegenüber aufbringen mochte. Ich konnte wenig Anerkennung und Respekt für die unterschiedlichen Ängste und Schwierigkeiten erkennen, mit denen jeder einzelne zu kämpfen hatte und zum Teil wegen der Nachwehen immer noch zu kämpfen hat. Meistens wurde über die "anderen" geklagt.

Da war natürlich die Angst vor dem Virus mit seinen schwerwiegenden Auswirkungen. Anderen wiederum machte die totalitäre Macht Angst, die die Staaten plötzlich weltweit über ihre Bürger auszuüben vermochte. Später kam für einige die Angst vor der Impfung hinzu, einem Wirkstoff, dem man nicht so einfach vertrauen konnte. Nicht zu vergessen die Angst, die Grundlagen der eigenen Existenz zu verlieren, weil der Job nicht mehr ausgeübt werden konnte und man durch die Maschen der Rettungsnetze fiel.

So kam es, dass sich Menschen zusammen taten, die kaum unterschiedlichere Überzeugungen hätten haben können. Rechtsextreme Gruppen kämpften auf der Strasse zusammen mit spirituell ausgerichteten Impfgegnern gegen die Staatsgewalt. Es herrschte zum Teil unterschwellig, zum Teil ganz offen und aggressiv ein „Alle gegen Alle“.

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Ich erkannte bald, dass sie alle etwas vereinte, das die meisten weit von sich weisen würden: Angst und Schmerz. Darauf angesprochen bekam ich solche oder ähnliche Antworten: „Ich habe ganz und gar keine Angst, aber man darf sich auf keinen Fall dies oder jenes gefallen lassen!“ Oder; „Das hat wohl nichts mit Angst zu tun, ich bin wütend, dass die anderen alle so dumm sind!“ Oder; „Dieses Virus mit seinen Folgen muss ich wirklich nicht erleben. Das hat doch nichts mit Angst zu tun. Das ist einfach nur vernünftig“.

Der rechtsextreme Kämpfer mit seinem Nationalstolz hat im wesentlichen Angst, dass er zu einer Zeit in näherer oder fernerer Zukunft in der Minderheit sein könnte und dass das, was ihm so lieb und teuer ist, die heimatliche Sprache, die Traditionen und die Mentalität, mit der er sich so verbunden fühlt, von Leuten überrannt und übertönt wird, die ihm fremd erscheinen. Genau so geht es der Esoterikerin, die die Überzeugung hat, dass der menschliche Körper, zusammen mit einer liebevollen Einstellung die allergrösste Kraft besitzt, um gegen alle Krankheitserreger anzukämpfen. Das Schlimmste, was ihr ihrer Überzeugung nach passieren kann, ist eine Impfpflicht mit einem DNA aktiven Impfstoff. Die einen schimpft man Faschisten, andere betitelt man abwertend mit Esotanten, wieder andere sind Verschwörungstheoretiker und die grosse Masse ist sowieso dumm und obrigkeitshörig. - Trenne und herrsche, bringe sie alle gegeneinander auf und sollte es tatsächlich eine Elite geben, die hinter all dem steckt, so haben sie genau jetzt gewonnen!

Und wie so oft, wird das eigentliche Thema verneint, verleugnet, übergangen: Das ungute Gefühl, der Druck in der Brustgegend, das Ohnmachtsgefühl, die Wut im Bauch. Alles Gefühle, die alles andere als ein Ausdruck der Liebe sind. Also im weitesten Sinn ein Ausdruck der Angst. Doch darüber wird nicht geredet, wo doch genau diese Gefühle nach Anerkennung schreien. Darum ja auch die heftigen Reaktionen. Denn man will auf keinen Fall schwach, oder noch schlimmer, ängstlich erscheinen. Aufgrund der eigenen Wahrnehmung, der persönlichen Meinung hat man ja schliesslich nicht einfach nur Angst. Man hat ja auch recht!

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Ja, ich kann sie alle verstehen und kann sehen, was sie umtreibt und warum sie die Meinung haben, die sie vertreten und warum sie entsprechend ihrer Meinung unzufrieden, verärgert oder gar wütend sind.

Doch lasst uns klar erkennen, wir werden niemals, egal worum es sich handelt, ein Planet mit Menschen sein, die sich in allen Dingen einig sind. Die Meinungen und darum auch die Ängste sind so unterschiedlich, wie ein Mensch sich vom anderen unterscheidet. Dabei habe ich ganz bewusst alle anderen Unterschiede, wie Ethnie, Religion, Hautfarbe aussen vor gelassen. Wenn uns Corona etwas gezeigt hat, dann dass dieses Virus sich weder um das eine noch das andere gekümmert hat. In jeder dieser Gruppen waren sich die Menschen im gleichen Masse uneinig. Das einzige, worauf man sich hätte einigen können, wäre die Tatsache gewesen, dass alle Angst haben. Das wäre auch das Menschlichste gewesen:

Ich verstehe, dass du Angst davor hast, deine Menschenrechte zu verlieren. Ich verstehe, dass du Angst hast, dass du oder jemand der dir nahe steht, wegen diesem Virus sterben könnte. Weil ich das anerkenne, trage ich gerne eine Maske, dort, wo du glaubst, dass ich dich gefährden könnte. Ich verstehe, dass du keine Freude daran hast, wenn du erkennst, wie beinahe systematisch Ängste geschürt werden, wo man doch heute wissen sollte, wie sehr Angst das Immunsystem schwächt. Ich verstehe, dass du Angst hast, dass man dir eine Impfung aufzwingen kann, wo du doch schon lange kein Vertrauen mehr in die pharmazeutische Industrie hast. Eine Industrie, deren Führungskräfte und Aktionäre an unserem Kranksein verdienen und immer noch mehr Gewinn verfolgen. Sie sind wohl kaum am Wohl der Menschheit interessiert.

All diese verschiedenen Meinungen und die damit verbundenen Ängste haben Anerkennung verdient, und nicht einfach so als Lippenbekenntnis. Schliesslich sind die meisten Menschen alles andere als dumm. Ihre Ängste als dumm oder unvernünftig abzutun, schwächt uns als Menschheit. Nicht nur, weil wir so gegeneinander aufgehetzt werden, sonder auch deshalb, weil wir voneinander lernen könnten. Denn viele dieser Ängste beruhen auf einem Kern Wahrheit, dem man nachgehen, der untersucht werden sollte.

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Erst wenn wir gelernt haben , die eigenen Ängste zuzugeben und die Ängste der anderen anzuerkennen, haben wir einen der vielleicht wichtigsten Entwicklungsschritte in der Evolution der Menschheit geschafft. Das ist ein effektiver Schritt Richtung Frieden und Freiheit. Und das ist es doch, was jeder Einzelne dieser unterschiedlichen Gruppen im tiefsten Innern eigentlich will.